„Es geht um die gefühlte Sicherheit“
Ortsvorsteher Oliver Strank spricht über Verdrängung, Obdachlosigkeit und Drogenkriminalität im Frankfurter Stadtgebiet. Eine Bilanz.
Herr Strank, 120 zusätzliche Polizisten wurden 2017 ins Bahnhofsviertel geholt, es gab Diskussionen um Kameras und ein Crack-Areal. Wird das Bahnhofsviertel seinen schlechten Ruf je verlieren?
Das Bahnhofsviertel ist der einzige Stadtteil, der Frankfurt zur Metropole macht, der pulsiert, in dem viel neues entsteht, in dem die Bevölkerung schnell wechselt. Es gibt hier spezifische Probleme. Gerade in den letzten Jahren hat sich die Drogenproblematik zugespitzt. Ich bekomme täglich E-Mails von Anwohnern, die sich wegen der Crack-Konsumenten nicht raus trauen.
Haben die zusätzlichen Polizisten die Situation beruhigt?
Nach Angaben der Bürger hat es sich ein wenig verbessert. Was Prävention angeht, gibt es noch einiges zu tun, das wird eine Herausforderung bleiben. Es geht auch um gefühlte Sicherheit. Ich weiß nicht von vielen stattgefundenen Ereignissen. Aber Aufenthalts- und Wohnqualität hängen letztlich auch von der subjektiven Sicherheit ab.
Im Allerheiligenviertel haben sich Anwohner wegen der Drogenszene für eine Überwachungskamera eingesetzt.
Das ist eine Parallelproblematik. Die Situation im Allerheiligenviertel ist durch eine Verlagerung aus der Taunusanlage entstanden. Man kann mit einer Kamera keine Straftaten verhindern, aber man kann sie aufklären.
Es geht um die Abwägung von Sicherheit und Persönlichkeitsrechten. Die Polizei sieht im Bahnhofsviertel, im Allerheiligenviertel und an der Hauptwache hohe Risiken für eine große Anzahl von Menschen. Wichtig ist, dass man evaluiert, ob die Kameras dort Sinn machen.
Macht es einen Unterschied, ob es um Drogenkriminalität oder wie an der Hauptwache um Terrorismusgefahr geht?
Die Kamera an der Hauptwache war wesentlich umstrittener. Bei der Drogenproblematik verspricht man sich von der Aufklärung von Straftaten eine präventive Wirkung. Aufklärung verdrängt aber keinen Terrorismus.
Auch das Gallus und das Gutleut leiden unter ihrem schlechten Ruf. Wie kann die Lebensqualität dort erhöht werden?
Im Gutleut ist die Verbesserung der Infrastruktur wichtig. Dass das Quartiersmanagement 2017 auf Anregung des Ortsbeirats seine Arbeit aufgenommen hat, war ein wichtiger Schritt, um eine Anlaufstelle für Bürger zu schaffen. Wir setzen uns nach wie vor für einen Wochenmarkt ein, denn es braucht Orte der Begegnung, um eine Identifizierung mit dem Stadtteil hinzubekommen. Wichtig ist die Anbindung des Gutleuts zu verbessern, mit einem Bus in die Innenstadt und mit einem ins Gallus
Im Gallus gibt es Spannungen zwischen dem alten Gallus und dem neuen Europaviertel.
Die Herausforderung ist, das Europaviertel ins Gallus zu integrieren, das Zusammenwachsen und den sozialen Frieden aufrechtzuerhalten, weil die Bevölkerungsstruktur unterschiedlich ist. Wichtig ist dafür auch der Bildungscampus an der Grenze von altem Gallus und Europaviertel. Der Bildungscampus steht wie nichts anderes für eine Perspektive im Stadtteil. Viele Bewohner fühlen sich abgehängt.
Neue Menschen, neue Autos: Anwohner im Gallus klagen massiv über Raser.
Verkehr ist bei den E-Mails, die ich bekomme, mit großem Abstand die Nummer 1. Im Europaviertel ist es brisant, weil etwa die Europaallee aufgrund der baulichen Situation als Autobahn empfunden wird. Das Viertel ist noch nicht lebendig. Da muss man aber auch Geduld haben.
Der Bau von neuen Gebieten wie Westhafen oder Europaviertel führt zur Verdrängung der alteingesessenen Bewohner. Was kann die Stadt da tun?
Die soziale Durchmischung ist wichtig, aber in den letzten Jahren wurden vor allem teure Wohnungen gebaut. Im Gutleut kann man tatsächlich eine Linie ziehen zwischen den Bessersituierten und den ärmeren – am Rottweiler Platz. Deshalb fordere ich immer wieder, dass die 30 Prozent für geförderten Wohnraum bei Neubauten strikt eingehalten werden.
Nach dem Brand auf der sogenannten Gutleutbrache vor einem Jahr ist auch dort eine Freifläche entstanden. Werden dort Wohnungen gebaut?
Die Zustände dort waren katastrophal, das war ein Elendsviertel. Wohnraum auf der Fläche ist nicht so leicht, weil der B-Plan das bisher nicht vorsieht.
Auf der Brache hausten obdachlose Rumänen und Bulgaren unter schlimmen Bedingungen. Lösen sich die Probleme, die hinter dieser Thematik stehen, durch eine Räumung?
Die Gutleutbrache, aber auch die B-Ebene der Hauptwache, sind Auswirkungen einer womöglich vorschnellen EU-Erweiterung. Es gibt Menschen, die lieber hier unter der Brücke leben als in Rumänien. Der Ortsbeirat kann die Probleme, die die Europapolitik schafft, nicht alleine lösen.
Auf der Tagesordnung dominieren Gallus, Bahnhofsviertel und Gutleut. Gibt es in der Innen- und Altstadt keine Themen?
In der Alt- und Innenstadt geht es meist um Aufenthaltsqualität, dass wir mehr öffentlichen Raum schaffen für die Bewohner und nicht nur Flächen für den Kommerz. Es hängt auch mit der Bevölkerungsstruktur zusammen, die Gebiete sind nicht so dicht besiedelt und es gibt viele Gutsituierte. Es werden wesentlich weniger Probleme von Anwohnern an uns gemeldet.
Bald wird die Altstadt eröffnet. Was erwarten Sie davon?
An manchen Stellen wird vielleicht nachgebessert werden müssen, wenn Nutzungskonflikte entstehen. Das wird sich erst noch zeigen. Es wird auch darum gehen, dass es nicht nur eine touristische Ausstellungsfläche wird, sondern auch Aufenthaltsqualität für Anwohner schafft.
von: Miriam Keilbach
Foto: Peter Juelich